Kirche

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Genderkinger Heimatbuch

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St. Peter & Paul

HN 85 (Kirchenwinkel 85 / Kirchplatz 6 / Kirchplatz 1): Die Pfarrkirche

Pfarrkirche St. Peter und Paul

Kirchenführer

Die katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul steht unauffällig inmitten des Dorfes. In den Jahren 1750-55 wurde sie auf Initiative und mit eigenen Mitteln von Pfarrer Maximilian Hegenauer neu erbaut. Das Mauerwerk der alten Kirche wurde teilweise in den Neubau miteinbezogen, der gotische Turm (um 1350) ist noch erhalten.

Die kunstvolle Innenausstattung datiert in die Epoche des Rokoko und beinhaltet hochwertige Fresken von Johann B. Enderle. Die Pfarrkirche St. Peter und Paul steht heute unter Denkmalschutz.

Baugeschichte

Die frühgotische Kirche, die wohl aus Quadern und Ziegelsteinen sehr massiv gebaut war, mußte mehrere Kriege, Aufstände und Plünderungen über sich ergehen lassen, wobei das Dorf oft völlig zerstört wurde. Es wundert nicht, wenn deshalb in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Neubau erfolgte. Das heutige Gebäude entstand in den Jahren 1750-55 unter teilweisem Miteinbezug des Mauerwerks der alten Kirche. In einer lateinischen Inschrift (s. Abbildung) heißt es über den Erbauer, Maximilian Hegenauer, dem damaligen Pfarrherrn von Genderkingen: „Sein Geist und seine wache Seele arbeiteten das ganze Leben lang mit Eifer für das Haus Gottes, das er hier neu im Jahre 1753 von Grund auf mit eigenen Mitteln errichtete!"

Wie aus alten Akten hervorgeht, trugen aber auch einzelne Gemeindemitglieder ihren Teil zur Neuerstellung der Kirche bei, indem sie „unentgeldlich, jedoch nur aus gutem Willen Handfrohn- und Spanndienste" leisteten. Inwieweit sich das Kloster Kaisheim an diesem Bau beteiligte, ist aufgrund fehlender schriftlicher Quellen nicht zu ermitteln. Die Einweihung der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul fand erst etliche Jahre später, am 30.08.1781, statt.

Im 19. Jahrhundert waren ungeachtet der verschiedenen Baureparaturen an Fenstern, Fensterstöcken, Pflaster, Sockel und Giebel für das Aussehen der Kirche v. a. Veränderungen am Dach des frühgotischen Turmes bedeutsam.

Im Verlauf des 20./21. Jahrhunderts wurde die Kirche viermal(1911-14, 1950-70, 1979-86, 2001) einer gründlichen Außen- und Innenrestaurierung unterzogen, wobei jedesmal sämtliche Wände inclusive der Fassaden neu getüncht, sowie Gemälde, Altäre und Figuren aufgefrischt wurden. Der Wille zur Erhaltung der Kirche war dabei unumgänglich verbunden mit Bemühungen seit 1911 zur Trockenlegung der Umfassungsmauern. Erst heute, nach einer völligen Erneuerung des Außenputzes und entsprechenden Arbeiten am Untergrund des Fußbodens kann dies soweit als abgeschlossen betrachtet werden. Um eine höhere Wärmedämmung zu erreichen, waren ein Austausch der Kirchenfenster gegen bleiverglaste Isolierfenster nötig, sowie zusätzliche Isolierungsarbeiten am neugebretterten Dachboden (1979). Die seit 1968 vorhandene Umluftheizung wurde 1986 durch eine Bankstrahlerheizung ersetzt. Bei der letzten Renovierung wurde diese erneuert.

An der Innenstruktur der Kirche wurden bei der Restaurierung (-1986) leichte Änderungen vorgenommen. So stellte man mit der Schaffung von Seitengängen den ursprünglichen Zustand wieder her, nachdem 1911 die Bänke an die Wand gerückt worden waren. Um den Kirchenbesuchern auf der Empore eine bessere Sicht zum Altar zu vermitteln, wurden zudem die dortigen neuen Bänke treppenartig aufgestellt und gleichzeitig die obere Empore zurückgesetzt. Auch das Chorgestühl wurde neu angefertigt.

Die Glocken im Turm der Kirche mußten im Laufe der Jahrzehnte mehrmals durch neue ersetzt werden. 1897/1898 ist von einem Zerspringen die Rede, später forderten die Weltkriege das wertvolle Material zu Rüstungszwecken. Die heutigen Glocken sind eine Neuanschaffung von 1950 und werden seit 1958 elektrisch geläutet.

Grundriß, Stil

Die Pfarrkirche St. Peter und Paul Genderkingen liegt im Dorf im ummauerten ehemaligen Friedhof und erstreckt sich als länglicher Bau in West-Ost-Richtung. Der Grundriß gliedert sich in das 10,50m breite und 16,80m lange Kirchenschiff und den eingezogenen querrechteckigen Chor mit halbrundem Schluß. Im nördlichen Chorwinkel befindet sich der relativ niedrige gotische Turm mit gekuppelten rundbogigen Schallöffnungen und Satteldach, im südlichen Chorwinkel die Sakristei. Das Westportal (geschnitzte Holztür um 1740) ist außen von einem Vorzeichen umgeben. (erneuert bei der letzten Kirchenrenovierung)

Das einfache Äußere der Kirche ist geprägt durch die hohen rundbogigen Fenster und die gemalten Pilaster an den Außenwänden. Betritt man jedoch das Innere der Kirche, so findet man sich in einem anmutigen Rokoko-Innenraum wieder, der bisweilen schon als „nordschwäbisches Schmuckkästle" bezeichnet wird. Die künstlerischen Akzente verlagern sich hier vom Außenbau auf den Innenraum, der von einem lockeren Stuckwerk übersponnen wird. Die Malereien zeichnen sich durch die für ihre Enstehungszeit typischen Pastellfarben aus und verbreiten lichte Helligkeit.

Innenausstattung

Beim Betreten der Kirche fällt der Blick des Betrachters auf den Hochaltar im Chor, den der Neuburger Bildhauer Kronenbitter 1790 errichtete. Ein viersäuliger Aufbau prägt das Bild und weist an den Seiten den Kirchenpatronen Petrus und Paulus würdige Standorte zu. Das Kruzifix im Schrein ist rechts und links von zwei Reliefmedaillons mit den Brustbildern von Maria und dem Jünger, „den er (Jesus) liebte" (Joh. 19, 26), umgeben. Der klassizistische Tabernakel erhielt erst 1913 nach einem Umbau des unteren Teiles seine endgültige Gestalt. Auf ihm thront ein Pelikan mit ausgebreiteten Flügeln, der seine Jungen mit dem eigenen Blut zu neuem Leben erwecken will.

Linker Seitenaltar

Der nördliche Seitenaltar im Kirchenschiff dürfte um 1750 entstanden sein. Zwischen zwei Säulen steht eine Mutter Gottes mit Kind, die auf Mitte des 15. Jahrhunderts datiert wird. Die Kronen entstammen der Barockzeit. Im Auszug ist das Herz Mariä dargestellt. Die Statuen des Hl. Leonhard und des Hl. Bernhard (mit Kreuz, Lanze, Essigschwamm und Abtstab) umrahmen den Altar. Im Antependium finden wir ein Relief über den Sturz des Hl. Johannes Nepomuk in die Moldau. Eine wertvolle Besonderheit stellt die zierliche spätgotische Holzmadonna auf dem kleinen Tabernakel dar: eine Hl. Anna selbdritt, die 1931 als Geschenk aus einem alten Genderkinger Bauernhof (Donaulenz) Einzug in die Pfarrkirche fand.

Rechter Seitenaltar

Der südliche Seitenaltar scheint ebenfalls um 1750 entstanden zu sein. Auch hier zwei Säulen, dazwischen der Märtyrer Sebastian umgeben von den Figuren des Hl. Ulrich (links) und Antonius von Padua (rechts). Im Auszug das Symbol der Dreifaltigkeit. Im Antependium finden wir ebenfalls ein silbergefaßtes Relief, hier mit der Geißelung Christi. Kunsthistorische Kostbarkeiten sind das reichgeschnitzte Rokokokästchen (um 1750-70) auf dem Altartisch mit Mariä Seelenschmerzen, sowie die Figuren des Hl. Johannes und des Hl. Jakobus seitlich davon. Letztere stammen aus dem Nachlaß des langjährigen Genderkinger Pfarrers (1911-50), Geistlicher Rat Fischer.

Die Kanzel (um 1790) in ocker-roter Marmorierung mit Silber- und Golddekor trägt ein polygoner Korpus mit Putten, die die Symbole der christlichen Tugenden (Hoffnung-Glaube-Liebe) halten. Die Rückwand zeigt ein Relief Christi. Am Deckel finden wir die Symbole der vier Evangelisten Johannes (Adler), Markus (Löwe), Lukas (Stier) und Matthäus, der als Posaunenengel die Kanzel bekrönt.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden auch die Beichtstühle mit dem geschwungenen Prospekt errichtet, die in den Medaillons vergoldete Reliefs der Hl. Magdalena und des Hl. Petrus tragen. Ebenso fallen in diese Zeit die Stuhlwangen mit den Rokokoschnitzereien.

Die Doppelempore im Westen birgt die Orgel aus dem Jahre 1869 (Erbauer Steinmeyer&Co., Oettingen).

Unabdingbar zur Ausstattung der Pfarrkirche zählen weitere bildhauerische Kunststücke, wie sie z. B. in den Mauernischen im Kirchenschiff zu finden sind. Südlich eine dreifigurige Heilige Familie (1.Hälfte des 18. Jh.), nördlich zwischen den Büsten des Hl. Joachim und der Hl. Anna (um 1730) eine Holzmadonna mit Kind um 1480, die später neugefaßt wurde. An der Südwand finden wir außerdem eine spätbarocke vierfigurige Kreuzigungsgruppe, sowie die Figur des Hl. Johannes Nepomuk aus der Erbauungszeit der Kirche. Direkt gegenüber erkennt man die Hl. Apollonia, typisch dargestellt mit Zange und Zahn.

Es bleibt noch der Kreuzweg in 15 Stationen zu erwähnen, der sich durch die ganze Kirche über die Seitenwände in Chor und Schiff erstreckt. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammen diese Bilder in ihren reichgeschnitzten Muschelwerkrahmen von Johann B. Enderle, dem die künstlerische Ausmalung der gesamten Kirche oblag.

Die Malereien

Nur wenige Kilometer von Donauwörth entfernt, war es naheliegend, als Maler Johann Baptist Enderle zu berufen, der 1725 in Söflingen geboren wurde. Um 1753 kam er nach Donauwörth, wo er die Witwe des Malers J.B.Reißmüller heiratete und zugleich dessen Werkstatt übernahm. Sämtliche Bilder in der Pfarrkirche werden ihm zugeschrieben.

Enderle gilt als hervorragender und äußerst produktiver Maler zur Zeit des Rokoko. Unter zeitgenössischen Auftraggebern war er als „billig" bekannt, was jedoch sicherlich nicht mit der Qualität seiner Werke in Beziehung gesetzt werden darf. Vielmehr verstand Enderle seine Arbeit als „Kunst zur Ehre Gottes".

In Genderkingen handelt es sich um einen der ersten selbständigen Aufträge Enderles zu einer Zeit, in der die süddeutsche Rokokomalerei in vollster Blüte stand. Der Maler selbst signierte seine Werke am Deckengemälde im Kirchenschiff in der linken unteren Bildecke mit „Enderle pinxit 1755", woraus wir das Jahr der Ausmalung erfahren. Für Kenner ist diese Zahl aber auch aus dem Chronostichon am Chorbogen zu entdecken: die hervorgehobenen lateinischen Großbuchstaben ergeben in römischen Ziffern das Datum 1755.

Die unterschiedliche Qualität in der Ausmalung der Kirche legt die Vermutung nahe, daß J. B. Enderle in Genderkingen seinen Onkel Anton Enderle als Mitarbeiter beschäftigt hat. Dafür sprechen Vergleiche mit den Fresken in der Pfarrkirche Tapfheim, die 1747 von Anton Enderle gemalt wurde (siehe z.B. die Befreiung Petri aus dem Kerker, die nahezu identisch in Tapfheim zu finden ist).

Beschreibung der Fresken

Die Titelheiligen der Kirche sind Peter und Paul und zu ihrer Verherrlichung diente auch das Programm des Freskenschmuckes: das Hauptbild im Kirchenschiff zeigt das Martyrium der Apostelfürsten, die umgebenden Kartuschen beinhalten Ereignisse aus deren Leben und im Chorfresko sind beide dargestellt mit einer Marienkrönung darüber.

Die Fresken im Schiff: Das Format des Hauptbildes wird durch einen einfachen Stuckrahmen bestimmt: ein längliches Rechteck, das östlich und westlich nach außen geschwungen ist. Zentrale Inhalte sind die umgekehrte Kreuzigung des Petrus sowie die Enthauptung des Paulus, der als römischer Staatsbürger nicht die Kreuzesschmach erleiden mußte. Letzterer wird auf dem Bild bedrängt von verschiedenen Gestalten, die vergeblich versuchen, den Völkerapostel zum Glauben an den Gott Jupiter umzustimmen. Der Ort des Geschehens, Rom, wird vom Maler durch Engelsburg und Obelisk im Hintergrund symbolisiert. Am unteren Bildrand sitzt auf einer Scheinstufe ein Soldat, wie er ähnlich auch auf von Enderle gemalten Fresken in Hausen und Herbertshofen zu finden ist. Schräg links davon sieht man auf einer kleinen Graskuppe den römischen Richter mit seinem Gefolge. In der linken Hand hält dieser den nach unten gerichteten Stab als Zeichen des gefällten Urteils. Über dem ganzen Geschehen schwebt eine Engelsgruppe mit den Märtyrerkronen und Palmenzweigen, auf der Wolke sitzt Christus von Engeln umgeben.

Die geglückte Komposition enthält einzelne Teile, die Enderle in Anlehnung an andere Meister entstehen ließ. So geht die Figur des Henkers mit dem Schwert auf J.H. Schönfeld zurück, die zwei Alten rechts davon im Hintergrund auf D. Tiepolo und die Vordergrundfigur des Soldaten auf F.M. Kuen.

Das Deckenfresko ist umgeben von Kartuschenbildern mit gemalten Stuckrahmen, die Ereignisse aus dem Leben des Hl. Petrus (nördlich) und des Hl. Paulus (südlich) darstellen.

  • Ein Engel befreit Petrus aus dem Kerker (act. 12): Apg 12
  • Petrus wandelt auf dem Meer zu Jesus (Matth. 14, v. 22): Mt 14, 22
  • Die Verklärung Jesu auf dem Berge Tabor mit Petrus, Jakobus und Johannes (Matth. 17, v. 1): Mt 17,1
  • Schlüsselübergabe an Petrus (Matth. 16, v. 13): Mt 16,13
  • Die Bekehrung Paulus auf dem Weg nach Damaskus (act. 9): Apg 9
  • Paulus lehrt auf dem Areopag in Athen (act. 17): Apg 17
  • Ein Engel rettet den schiffbrüchigen Paulus (act. 27): Apg 27
  • Paulus im Kerker zu Philippi (act. 16): Apg 16

Die Fresken im Chor: Das Deckenfresko stellt zusammen mit den vier umgebenden Kartuschenbildern die fünf Geheimnisse des glorreichen Rosenkranzes dar: Jesus, der von den Toten auferstanden ist, erscheint mit der Osterfahne Maria Magdalena, der er den Auftrag gibt, dem Petrus die Auferstehung zu melden; Christi Himmelfahrt; Sendung des Hl. Geistes; Mariä Himmelfahrt; im Hauptbild die Krönung Mariens mit den Titelheiligen Petrus und Paulus.

Die Fresken an der Doppelempore: Die Bilder an der oberen Empore stellen zum einen (vom Betrachter aus rechts) den Hl. Aloysius, zum anderen St. Johannes von Nepomuk dar. Ein Bild der Hl. Cäcilie wurde um 1870 in Zusammenhang mit dem Aufstellen der neuen Orgel zerstört. Die untere Empore zeigt den Tod des Hl. Josef, den Tod des Hl. Franz Xaver und die Marter des Kinderheiligen Andreas („Änderle") von Rinn, der angeblich als Kind 1462 von Juden zu ritualistischen Zwecken auf einer Felsplatte grausam ermordet und danach an einer Birke aufgehängt wurde.

Bedeutung

Dem Besucher, der sich der Genderkinger Pfarrkirche von außen nähert, mag diese wohl eher anspruchslos erscheinen. Beim Eintritt in das Innere eröffnet sich jedoch in den Meisterwerken J.B. Enderles, im Stuck und in den gelungenen Altären mit den wertvollen Figuren, anspruchsvolle Rokokokunst hohen Niveaus (der Hauptaltar zeigt bereits Anklänge an den Klassizismus). Die Kirche St. Peter und Paul steht als Zeuge dafür, daß künstlerische Fertigkeiten aus der Epoche des Rokoko nicht nur den Kunstzentren der Städte und Klöster vorbehalten waren, sondern -v.a. in Süddeutschland- weite Verbreitung bis in die Dörfer hinein fanden. Unter Verzicht auf großartige Architektur wurde hier der Aufwand geringer gehalten, um im selben Atemzug den Innenraum durch qualitativ überzeugende Gestaltung als würdige Oase der Besinnung und der Verehrung Gottes zu schaffen.

Bilder

Presseartikel