Pfarrer Franz Bieger und die Steinmeyer-Orgel

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Pfarrer Franz Bieger und die Genderkinger Steinmeyer-Orgel

Als Pfarrer Franz Bieger am 21. Januar 1869 die Pfarrstelle in Genderkingen übernahm, mag der Schock bei seinem Amtsantritt über den Zustand der alten Orgel in der Kirche ziemlich groß gewesen sein. So war es das erste Anliegen des musikbegeisterten 35-jährigen jungen Pfarrers, sich mit aller Kraft zuerst, ungeachtet aller anderen anstehenden Probleme, für den Bau einer neuen Orgel einzusetzen, was angesichts der in der Gemeinde damals herrschenden Armut und der überall spürbaren Geldknappheit der öffentlichen Kassen kein leichtes Unterfangen war. Pfarrer Bieger setzte Anschaffung und Aufstellung der neuen Steinmeyer-Orgel in Genderkingen jedenfalls innerhalb eines halben Jahres durch, was für die Tatkraft des jungen Geistlichen spricht.

Aus Originalbriefen Biegers an den Orgelbauer Steinmeyer in Oettingen wissen wir, dass für die Anschaffung dieser Orgel 900 fl. (Gulden) veranschlagt waren, eine Summe, die nach heutiger Kaufkraft in etwa dem Betrag von etwa 50.000 € entspricht. Wie schwierig es für den jungen Pfarrer gewesen sein muss, diese Orgel und die Kosten dafür so schnell durchzusetzen, mag man ermessen, wenn man die Reparaturgesuche des Genderkinger Pfarrers Ignatz Scheitle vom 3. September 1845 an das königliche Landgericht Donauwörth zum Vergleich heranzieht.

Als Antwort auf einen Brief vom 20. Juni 1843 schreibt Pfarrer Ignatz Scheitle an das Landgericht, „dass nach Probespiel und Kirchenstiftungsrechnungen die Orgel der Pfarrkirche Genderkingen im Jahre 1791 zu der Summe von 18 fl. zum letztenmale repariert worden sey…“, dass nun die Orgel sich in ruinösem Zustand befinde, der feierliche öffentliche Gottesdienst an den Sonntagen und „zum hohen Geburtstag und Namensfest Sr. Majestät unseres allgeliebten Königs unterlassen werden musste…“ und dass die Kirchenstiftung und die Gemeinde die nun anfallenden Kosten von 44 Gulden zur erneuten Reparatur nach 54 Jahren nicht decken könne.

Kostenvoranschlag zur Reparatur der alten Genderkinger Orgel von Johann Christian Kunz, Orgelbauer und Türmer aus Rain, aus dem Jahre 1845. Der Brief ist im Genderkinger Pfarrarchiv erhalten.

Den Kostenvoranschlag zur Reparatur dieser alten Orgel lieferte Johann Christian Kunz, Orgelbauer zu Rain a. Lech, der ein Bruder des Komponisten der Bayern-Hymne, Konrad Max Kunz (1812 – 1875) war und der auf ein Empfehlungsschreiben des damals schon sehr berühmten Münchener Hofkapellmeisters Franz Lachner hin vom Rainer Stadtmagistrat als Türmer eingestellt worden war. Während seiner Schaffenszeit blieb Johann Christian Kunz, was den Orgelbau betrifft, als Kleinmeister tätig und baute außer der Orgel in Rain 1876 rund ein Dutzend kleinerer Orgeln mit bis zu 10 Registern, deren Qualität schon bei der Abnahme nicht immer entsprochen hat.

Nach zweijährigem Bemühen durch Pfarrer Ignatz Scheitle bekam Joh. Chr. Kunz 1845 schließlich den Auftrag zur Reparatur der alten Genderkinger Kirchenorgel und Pfarrer Bieger fand bei seinem Amtsantritt, wie man sich nach den verflossenen weiteren 24 Jahren gut vorstellen kann, eine Orgelruine vor.

In einem Brief an Steinmeyer im März 1869 schreibt Pfarrer Bieger jedenfalls: „Der Orgelbauer Kunz in Rain gibt sich, nebenbei bemerkt, alle Mühe, die Sache in die Hand zu bekommen – doch ich verzichte lieber auf jede neue Orgel als dass ich von einem Andern als Sie dieselbe herstellen lasse.“ Und schon am 4. April 69 schreibt Bieger wiederum an Steinmeyer: „Heute Nachmittag in einer (durch Kunz v. Rain beeinflußten) stürmischen Gemeinde Sitzung habe ich unser Orgelproject durchgebracht. Machen Sie in Gottes Namen richtig jetzt fort – bis zum Peter u. Paul=Fest muß das Werk hier stehen. Es ist die Hauptsache entschieden.“

Innerhalb von gut zwei Monaten hatte Pfarrer Bieger nun sein Orgelprojekt durchgesetzt und setzte nun seinerseits Steinmeyer gehörig unter Druck, weil die neue Orgel bis zum Patrozinium der Genderkinger Kirche Ende Juni, also innerhalb von drei Monaten, spielfertig sein sollte.

Pfarrer Bieger konnte auch durchsetzen, dass die neue Orgel auf der unteren Empore aufgebaut werden durfte. An Steinmeyer schrieb er:

Verehrtester Herr Steinmayer!

Es wäre sehr zu wünschen, daß die neue Orgel schon circa 10 Tage vor Peter u. Paul dahier aufgestellt werden könnte, da die Fassung der Gehäuse auch noch vor dem Feste besorgt werden soll u. die Farbe dann doch hübsch trocknen kann. Es wird Ihnen wohl dies möglich sein u. bitte ich in diesem Falle um gefällige Mittheilung.

Hr. Dr. Döderlein hat mir versprochen bei der Probe anwesend sein zu wollen.

In aller Liebe grüßt Ihr ergebenster Franz Bieger Pfr


Brief von Pfarrer Bieger an den Orgelbauer Steinmeyer vom 02. Juni 1869


Die obere Empore der Kirche musste folglich in der Mitte aufgeschnitten werden, damit sich nach oben genügend Platz für den neuen Orgelprospekt ergab. Diesen Bemühungen wurde – was aus heutiger Sicht wirklich bedauernswert ist - das Mittelfresko mit der hl. Caecilie von Joh. Bap. Enderle an der oberen Doppelempore, geopfert. So beklagenswert dieser Umstand auch ist, so eindringlich zeigt er uns aber auch, wie wenig wertvoll die Arbeiten Enderles damals im Gegensatz zu heute eingeschätzt wurden.


Bild der Orgel in der Gesamtansicht. Das Bild zeigt den Orgelprospekt, umrahmt von den herrlichen Enderle-Fresken der Doppelempore.

Die neue Steinmeyer-Orgel in Genderkingen wurde jedenfalls termingerecht fertig gestellt und versieht nun seit dieser Zeit zuverlässig ihren Dienst in Gottesdienst und Konzert. Sie wird bei der Orgelbaufirma Steinmeyer als opus 83 geführt und fand im opus 107 in Seenheim, in der Nähe von Bad Windsheim, einen direkt entsprechenden Nachbau. Der Orgelprospekt wurde „neuromanisch“ konzipiert und auch heute noch gilt für die Orgel, was Pfarrer Bieger in einem Orgelgutachten anlässlich der Abnahme der Orgel feststellte: „ … ist die Totalwirkung der Orgel ganz dem kirchlichen Raum angemessen, durch alle Töne gleichmäßig, die Ausführung der einzelnen Pfeifen und Stimmen ist vollkommen gelungen und die Intonation mit bekannter Steinmeyer’scher Meisterschaft gelungen…“


Der Spieltisch der historischen Steinmeyer-Orgel in Genderkingen


Weblinks

Steinmeyer Orgelbau